Feminismus

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Klimawandel, Stärkung der Rolle der Frau und Menschenrechte: Die DARP-Mission in die Vereinigten Arabischen Emirate

Als Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Arabische Halbinsel (DARP) ist meine Arbeit manchmal eine diplomatische Gratwanderung. Das war auch so bei unserer DARP-Mission in die Vereinigten Arabischen Emirate vom 22. bis 26. Mai. Die Mission unter meiner Leitung fand vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen der EU und den VAE statt. Im September letzten Jahres hatte das Europäische Parlament eine Dringlichkeitsentschließung zur Menschenrechtslage in den VAE verabschiedet, in der es Unternehmen und EU-Mitgliedstaaten aufforderte, nicht an der EXPO Dubai teilzunehmen, „um ihre Missbilligung der Menschenrechtverletzungen zu signalisieren“ (ich war zur EXPO gereist, um einen Vortrag über den Green Deal zu halten – die Reise war aber bereits vor der Entschließung vereinbart worden). Die emiratischen Behörden hatten gegen diese Resolution protestiert. Nach der russischen Invasion in der Ukraine hatten sich die VAE zudem bei einer Resolution des UN-Sicherheitsrats enthalten, die die Aggression verurteilte. Schließlich war am 13. Mai (neun Tage vor Beginn der Mission) der Präsident der VAE, Scheich Khalifa bin Zayed al-Nahyan, verstorben, und kein*e hochrangige*r EU-Vertreter*in war zu seiner Beerdigung in die VAE gereist – was von Offiziellen der VAE von kritisiert worden war.

Die Beziehungen zwischen der EU und den VAE waren daher sichtlich angespannt, und die Wiederaufnahme eines konstruktiven Dialogs mit den Behörden der VAE war ein wichtiges Anliegen dieser Mission. Unser Ziel war es, eine Reihe von Themen anzusprechen, insbesondere den Klimawandel und erneuerbare Energien, humanitäre Hilfe und regionale Sicherheit sowie die Stärkung der Rolle der Frau. Genauso wollten wir auch Menschenrechtsfragen und unsere Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf bewaffnete Konflikte in der Region, einschließlich des Jemen, zur Sprache bringen. 

Nach der Veröffentlichung der EU-Mitteilung über eine „Strategische Partnerschaft mit der Golfregion“ wenige Tage vor unserer Abreise war diese Mission auch eine erste Gelegenheit, die in diesem Dokument dargelegten Visionen, Chancen und Herausforderungen in der Region mit Regierungsvertretern der VAE zu erörtern.

Außenbeziehungen – bewaffnete Konflikte

Bei Treffen mit Mitgliedern des Föderalen Nationalrats (FNC), darunter FNC-Sprecher Saqr Gorbash und Ali Rashi Al Nuami, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses der VAE, erörterten wir die Notwendigkeit einer weiteren Stabilisierung der Golfregion. Alle Teilnehmer*innen waren sich einig, dass wir die Beziehungen zwischen dem Golf-Kooperationsrat (GCC) und der EU verstärken sollten. Es gab jedoch auch Bereiche, in denen wir unterschiedlicher Ansicht waren – wir konnten diese Meinungsverschiedenheiten jedoch offen diskutieren. Unsere emiratischen Gesprächspartner äußerten ihr Misstrauen bezüglich den Absichten der iranischen Regierung und ihre Zweifel an den Bemühungen der EU, ein Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben. Darüber hinaus kritisierten die Emiratis den destabilisierenden EInfluss des Irans nicht nur im Jemen (mit seiner Unterstützung der Houthis), sondern auch im Libanon und in Syrien – hier stimmten wir mit den VAE-Regierungsvertretern überein.

 

Die emiratischen Abgeordneten räumten ein, dass der russische Angriff auf die Ukraine eine vorsätzliche Verletzung der Unabhängigkeit und territorialen Integrität eines souveränen UN-Mitgliedstaates darstellt. Sie folgten uns jedoch nicht bei der bedingungslosen Verurteilung des russischen Vorgehens, sondern schlugen sanftere Töne gegenüber Moskau an. Sie machten aber auch deutlich, dass die VAE bereit sind, ihre Ölproduktion auszuweiten, um die Liefermengen nach Europa zu erhöhen. Darüber hinaus möchten die VAE eine diplomatische Rolle bei der Beilegung der Krise spielen.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass die Ernährungssicherheit eine entscheidende Voraussetzung für die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit ist und dass wir unsere Zusammenarbeit in dieser Frage verstärken sollten. Wir stimmten zudem darin überein, dass es von größter Bedeutung ist, die Finanzierung humanitärer Hilfe, auch in der Ukraine, fortzusetzen.

Schließlich besuchten wir die Internationale Humanitäre Stadt, ein globales Logistikzentrum für die Verteilung humanitärer Hilfe, und trafen uns mit ihrem Generaldirektor Giuseppe Saba. Bei diesem Treffen ging es vor allem um die herausgehobene Rolle der Emirate im Bereich der humanitären Hilfe und der Katastrophenprävention.

Klima und erneuerbare Energien

Ein wichtiges Thema der DARP-Mission war zudem der Klimawandel. Die Region hat das Potenzial, eine wichtige Rolle bei der Verlangsamung des Klimawandels zu spielen, indem sie von Öl- und Gasexporten auf den Export erneuerbarer Energien wie z.B. grünem Wasserstoff umstellt. Die Frage der Speicherung und des Transports von Energie (um sie exportieren zu können) ist jedoch noch offen, und wir sprachen über verschiedene Möglichkeiten, diese Herausforderung zu bewältigen. Zudem sprachen wir über die Verringerung von Schadstoffemissionen. Es herrschte Einvernehmen darüber, dass diese Probleme rasch und effizient auf globaler Ebene angegangen werden müssen und nicht dem guten Willen nationalet Behörden überlassen werden dürfen.

Klimawandel und Umweltprobleme wurden auch bei unserem Treffen mit Vertretern des Umweltministeriums der VAE und im Rahmen unseres Besuchs der Masdar City angesprochen. Masdar City, de facto ein Stadtteil von Abu Dhabi, ist das erste Projekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, das darauf abzielt, eine neue „Null-Emissions“-Stadt zu schaffen, die erneuerbare Energien und moderne Recyclinganlagen für Abfälle nutzt.

Die Delegation traf in Abu Dhabi auch mit dem Generaldirektor von IRENA (Internationale Agentur für erneuerbare Energien), Francesco La Camera, zusammen. Dieses Gespräch bot die Gelegenheit, die verschiedenen Initiativen zu rekapitulieren, die darauf abzielen, das Angebot an erneuerbaren Energien in den EU-Mitgliedstaaten, die alle mit der Agentur zusammenarbeiten, zu erhöhen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse unserer Treffen war, dass wir zusammenarbeiten müssen, um unsere Energiequellen zu diversifizieren und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Es gibt ein großes Potenzial für die Zusammenarbeit bei der Festlegung technischer Standards und der Angleichung der Finanzinstrumente, die zur Unterstützung des Übergangs eingesetzt werden.

Hannah Neumann schüttelt einem Mann die Hand. Im Hintergrund das Logo "International Renewable Energy Agency"

Menschenrechte

Wie erwartet, waren die Vertreter der VAE beim Thema Menschenrechte eher zurückhaltend. Sie verwiesen auf einige Arbeitsrechtsreformen, Fortschritte im Bereich der sozialen Rechte und betonten das starke Engagement der VAE für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Sie leugneten jedoch de facto, dass der Schutz der Menschenrechte noch immer ein echtes Problem für die Emirate ist.

Aus Sicht des Europäischen Parlaments sind Menschenrechtsverletzungen jedoch weiterhin ein wichtiges Thema in den Beziehungen der EU zu den Emiraten. Das EP hatte in den letzten Jahren, zuletzt im September 2021, seine Besorgnis über eine Reihe von Menschenrechtsfragen (einschließlich des Falls des Menschenrechtsverteidigers Ahmed Mansoor) zum Ausdruck gebracht.

Vor kurzem wurde in den VAE die „Nationale Menschenrechtsinstitution“ (NHRI) eingerichtet, die eine beratende Funktion für Vertreter der Regierung, von Nichtregierungsorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft hat und Beschwerden und Anliegen von Einzelpersonen und Einrichtungen entgegennimmt. Der Vorsitzende Masqud Kruse stellte die bisherige Arbeit der NMRI vor, und anschließend diskutierten wir über Möglichkeiten zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes im Land.

Es ist klar, dass die VAE noch einen weiten Weg vor sich haben, um ihre Menschenrechtssituation zu verbessern. Die Umsetzung bestehender Gesetze ist nach wie vor ein Problem, ebenso wie die Einschränkung der politischen Freiheiten und die Inhaftierung von Menschenrechtsverteidigern und Dissidenten. Das Kafala-System (ein System zur Erteilung von Arbeitsvisa für ausländische Staatsangehörige, das von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird, weil es die Ausbeutung von Arbeitnehmern ermöglicht) bleibt trotz einiger Fortschritte bei den Arbeitnehmerrechten bestehen. Wir brachten unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass Masqud Kruse in der Lage sein wird, das Mandat der NMRI in vollem Umfang umzusetzen – natürlich werden wir die erzielten Fortschritte aufmerksam verfolgen.

Stärkung der Rolle der Frau

Die Rolle der Frauen und ihre Stärkung in der emiratischen Gesellschaft wurde bei den Treffen mit dem FNC ebenfalls angesprochen. Frauen genießen in den Emiraten eine privilegierte Stellung, denn sie stellen mehr als 50 % der weltweiten Erwerbsbevölkerung und haben ein hohes Bildungsniveau erreicht. Frauen sind in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung vertreten und haben per Gesetz das Recht, 50 % aller Sitze im FNC zu besetzen.

Wir diskutierten auch mit der Gründerin der NRO „She is Arab“, Samar Alshorafa, die die Arbeit ihrer Organisation vorstellte und einen Überblick über die Situation der Frauen im Lande gab. In der Tat sind Frauen in den Emiraten im Vergleich zu den Nachbarländern wesentlich besser gestellt, was u. a. durch die von der FNC angewandten Geschlechterquoten und die Zahl der Frauen in hochrangigen Positionen sowohl in der staatlichen Verwaltung als auch in privaten Unternehmen belegt wird.

Besonders beeindruckend war unser Besuch bei der Dubai Foundation for Women and Children. Die Stiftung bietet Frauen und Kindern, die Opfer von Gewalt oder anderen Verbrechen geworden sind, Unterstützung und Schutz. Dazu gehören nicht nur emiratische Staatsangehörige, sondern auch ansässige Frauen und Kinder, die Hilfe benötigen.

Bei unserem Besuch wurde deutlich, dass es in den VAE viele vielversprechende Initiativen zur Stärkung der Rolle der Frau gibt. In einer Reihe von Bereichen haben Frauen jedoch rechtlich gesehen immer noch nicht die gleichen Rechte wie Männer in diesem Land. Trotzdem haben viele Frauen die Karriereleiter erklommen und bekleiden Führungspositionen im privaten und öffentlichen Sektor – dies ist vielleicht der größte Wandel, den die VAE in den letzten Jahren erlebt haben.

Vor diesem Hintergrund fordert nun vor allem die jüngere Generation die vollständige Gleichstellung der Frauen.

Schlussfolgerungen

Wie bereits erwähnt, war dieser Besuch eine Gratwanderung – aber wir konnten unsere Beziehungen zu unseren Amtskollegen in den Emiraten stärken und die parlamentarischen Beziehungen zum FNC wiederherstellen.

 

Die Mission hat viele positive Ergebnisse gebracht und mögliche Bereiche der Zusammenarbeit aufgezeigt, wie Handel, Forschung, Innovation, saubere und erneuerbare Energien sowie Sicherheit. Es gibt jedoch noch viele Bereiche, in denen Verbesserungen möglich sind, vor allem in Bezug auf die Menschenrechte. Wie können wir diejenigen unterstützen, die für die Menschenrechte in dem Land kämpfen? Zum einen sollte das Europäische Parlament weiterhin den Menschenrechtsdialog zwischen dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den VAE unterstützen, für den Anfang 2022 eine weitere Runde angesetzt wurde. Und wir sollten uns nicht vor fairen, ehrlichen und umfassenden Diskussionen zu diesem Thema während diplomatischer Missionen wie dieser scheuen.

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