Der Vorschlag der Kommission für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028–2034 markiert eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Ausgaben im Bereich Außenpolitik und Verteidigung. Einige Ambitionen sind ausdrücklich zu begrüßen: mehr Mittel für die Verteidigung, für außenpolitische Instrumente und für die Unterstützung unserer Partner in der Ukraine. Auch die Vereinfachung der vielen unterschiedlichen Budgetlinien ist grundsätzlich sinnvoll.
Die Vorschläge der Kommission bleiben jedoch hinter einer tragfähigen Lösung zurück. Denn wie die Mittel eingesetzt werden, ist mindestens genauso entscheidend wie die Höhe der Ausgaben. Als Grüne stehen wir einem Budgetentwurf kritisch gegenüber, der das Europäische Parlament an den Rand drängt und unsere außenpolitischen Prioritäten schwächt. Wir werden die kommenden Wochen nutzen, um die Vorschläge im Detail zu prüfen – und die kommenden Monate, um das, was derzeit auf dem Tisch liegt, zu verbessern.
Der Europäische Wettbewerbsfonds
Der Europäische Wettbewerbsfonds (ECF) bündelt 14 Programme in vier Säulen – von der grünen Transformation und Dekarbonisierung bis hin zu Verteidigung und Raumfahrt. Diese sehr unterschiedlichen Prioritäten laufen Gefahr, miteinander in Konkurrenz um die Gelder zu treten, ironischerweise unter dem Dach eines Fonds, dessen Ziel die Wettbewerbsfähigkeit der Union ist.
Mit 131 Milliarden Euro ist die Säule „Verteidigung und Raumfahrt“ mit Abstand die größte in diesem Fond. Die Erhöhung ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, geht jedoch zulasten der Mittel für die grüne Transformation. Zugleich bleibt unklar, ob diese Ausgaben auf die NATO-Verpflichtungen der Mitgliedstaaten angerechnet werden.
Auch wenn offenbar keine bestehenden Programme abgeschafft werden, will die Kommission innerhalb jeder Säule flexibel Gelder umschichten können. Das birgt die Gefahr, dass nach der Verabschiedung des MFR Mittel zwischen den Prioritäten verschoben werden – ohne Einbindung des Europäischen Parlaments.
Ebenso kritisch ist der Vorschlag der Kommission, ein einheitliches Regelwerk für alle Programme einzurichten – einschließlich Horizon Europe – für ein Volumen von 409 Milliarden Euro. Das Europäische Parlament muss während der gesamten Umsetzung beteiligt bleiben – nicht nur, um das Regelwerk durchzuwinken und anschließend außen vor zu bleiben.
Weitere verteidigungsrelevante Mittel sind auch in anderen Instrumenten vorgesehen – etwa in Horizon Europe, der Connecting Europe Facility (17 Milliarden Euro für militärische Mobilität) sowie in regionalen oder nationalen Programmen, je nach Präferenz der Mitgliedstaaten.
Das Global Europe Instrument
Das Global Europe Instrument, mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro, soll sämtliche außenpolitischen Finanzierungsinstrumente in einem einzigen Haushaltsposten zusammenführen. Der Großteil der Mittel ist an geografische Programme und Wettbewerbsfähigkeit gebunden. Damit drohen langjährige thematische Prioritäten – wie humanitäre Hilfe, Klima, Menschenrechte und Demokratieförderung – an den Rand gedrängt zu werden.
Wir brauchen ein größeres und klar zweckgebundenes Budget für diese zentralen außenpolitischen Aufgaben – und insgesamt mehr Mittel für globale Herausforderungen und neue Krisen im Rahmen des MFR.
Die zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Ukraine außerhalb des MFR sind ein positives Signal. Entscheidend ist jedoch, dass die Mitgliedstaaten dieses Geld auch tatsächlich bereitstellen – beginnend ab 2028.
Parlamentarische Kontrolle und Querschnittsthemen
Das vorgeschlagene Governance-Modell für den MFR stärkt die Rolle der Kommission und sieht kaum angemessene parlamentarische Kontrolle vor. Nach dem Vorbild der Recovery and Resilience (RRF) sollen zentrale Entscheidungen – etwa zu Förderprioritäten und Mittelverteilung – an nationale Pläne und zukünftige Arbeitsprogramme der Kommission delegiert werden.
Zentrale Umsetzungsfragen bleiben in den Vorschlägen offen, sodass das Parlament kaum Einfluss darauf hat, wie die Milliarden an EU-Mitteln letztlich verwendet werden. Auch die Regionen – die in der Umsetzung eine zentrale Rolle spielen – werden in den Entscheidungsprozess nicht einbezogen. Hier besteht deutlicher Verbesserungsbedarf.
Europa kann nur dann stark sein, wenn steigende Verteidigungsausgaben, ambitionierter Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das vorgeschlagene Ziel von 35% Klimaausgaben im gesamten MFR ist ein grüner Erfolg – mit 43% im ECF und 30% im Global Europe Instrument. Jetzt müssen wir ins Kleingedruckte schauen, was hier angerechnet werden kann und was nicht. Gleichzeitig wird die Unterstützung für soziale Projekte faktisch gekürzt. Der Klimasozialfonds muss gestärkt und bezahlbarer Wohnraum priorisiert werden – doch ein eigener Wohnungsfonds fehlt. Auch bei der Finanzierung von Biodiversität braucht es Klarheit – und einen eigenständigen Fonds für den Naturschutz.
Um all diese Herausforderungen zu bewältigen, braucht die EU neue Eigenmittel. Die großen Tech-Konzerne müssen endlich ihren fairen Beitrag leisten – keine Sonderbehandlung mehr für Unternehmen, die in Europa Gewinne machen, aber kaum Steuern zahlen.
Klimapolitik ist auch Sicherheits- und Industriepolitik. Europa muss unabhängig werden von fossilen Autokratien – und darf technologisch nicht ins Hintertreffen geraten. Reines Reagieren reicht nicht – wir müssen die Zukunft aktiv gestalten. Ein EU-Haushalt, der diesen Wandel nicht vorantreibt, ist kein Haushalt für ein zukunftsfähiges Europa.
Der lange Weg zum neuen Haushalt
Der Vorschlag der Kommission ist nur der Auftakt zu zwei Jahren Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat. Als Grüne werden wir für ein ambitioniertes und zukunftsfähiges Budget kämpfen, das Europas strategische Handlungsfähigkeit langfristig stärkt. Und eines, das unsere außenpolitischen Kernanliegen sowie die Haushaltsrechte des Europäischen Parlaments schützt.
Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, den Anspruch eines gestärkten EU-Haushalts nicht zu verwässern. Wer von der EU verlangt, Lösungen für gemeinsame Probleme zu liefern, darf ihr nicht die Mittel dazu kürzen. Kanzler Merz spricht viel über europäische Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt muss er das nötige Geld bereitstellen. Die Verteidigung der Ukraine und europäische Souveränität gibt es nicht zum Nulltarif.
Mehr dazu in unserer Greens/EFA Pressemitteilung zum MFR-Vorschlag.