Die Bilder von Präsident Selenskyj im Oval Office, angegriffen auf offener Bühne vom US-Präsidenten und seinem Vize, gingen um die Welt – und sie hallen bis heute nach. Die europäische Debatte über strategische Eigenständigkeit hat spätestens seitdem nochmal eine neue Dringlichkeit gewonnen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen reagierte mit ihrem Vorschlag für ReArm Europe, durch massive Investitionen in die Verteidigung – zumindest auf Papier. Das Weißbuch zur Zukunft der Europäischen Verteidigung/Readiness 2030 sollte im Anschluss den Weg für eine wirkliche strategische Neuausrichtung aufzeigen, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück. Mit der Union Preparedness Strategie präsentierte die Kommission zuletzt Vorschläge zur Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz in Europa.
All diese Maßnahmen stehen im Zeichen einer grundlegenden Neuausrichtung der europäischen Sicherheit und Verteidigung. Ein zentrales Element hiervon ist auch die industrielle Seite der Sicherheitspolitik. Im Europäischen Parlament haben wir dazu gerade die Verhandlungen zum European Defence Industry Programme (EDIP) abgeschlossen, die ich als Schattenberichterstatterin für die Grünen geführt habe. Mehr zu den Verhandlungen lest ihr in diesem Artikel von EurActiv.
Was soll EDIP erreichen?
Mit einem Budget von 1,5 Milliarden Euro soll EDIP im Kern die Maßnahmen aus der European Defence Industry Strategy (EDIS) umsetzen: mehr gemeinsame Beschaffungen, eine starke gemeinsame industrielle Basis, die Steigerung von Produktionskapazitäten und die Absicherung von Lieferketten. EDIP soll die Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Europäischen Verteidigungsindustrie stärken, die Verfügbarkeit von Verteidigungsprodukten sicherstellen – insbesondere im Krisenfall – und die Zusammenarbeit mit der Ukraine beim Wiederaufbau, der Modernisierung und Integration ihrer Verteidigungsindustrie in den europäischen Markt fördern.
Durch sogenannte Structures for European Armament Programme (SEAPs) und einen EU Military Sales Mechanism für direkte Verkäufe zwischen Regierungen soll beispielsweise gemeinsame Beschaffung zum Standard und die zersplitterte Nachfrage gebündelt werden. Mit einem Fonds (FAST) für die gezielte Unterstützung von KMUs und der Unterstützung EDF-geförderter Projekte sollen die Produktionskapazitäten der Industrie erhöht und Innovationsprojekte zur Marktreife gebracht werden. Ein Mechanismus zur Absicherung von Lieferketten, inklusive Frühwarnsystem für essentielle Produkte und Krisenmaßnahmen, soll die Resilienz der europäischen Verteidigung stärken. Die Ukraine wird über ein eigenes Instrument unterstützt, das u.a. aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert werden soll.
Was haben wir in den Verhandlungen betont?
Wir Grüne begrüßen, dass EDIP auf mehr europäische Zusammenarbeit und Resilienz im Verteidigungsbereich abzielt. Besonders positiv werten wir die verbesserten Anreize für mehr gemeinsame Beschaffung und Marktintegration, die Stärkung von KMUs sowie die klare Unterstützung der Ukraine. Wir konnten zudem wichtige Verbesserungen durchsetzen, beispielsweise einen Artikel zur parlamentarischen Kontrolle, ein jährliches Berichtswesen der Kommission zu den SEAPs, mehr Mitsprache des Parlaments bei europäischen Großprojekten und quantitative Zielmarken für die Evaluation des Programms. Außerdem war uns wichtig, dass EDIP zur Markt- und Fähigkeitskonsolidierung beiträgt und die Unterstützung dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird – etwa an der östlichen Flanke der EU. Nach der heutigen Abstimmung können bald die Verhandlungen mit Rat und Kommission beginnen.