Analysen

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Der blinde Fleck der EU-Visapolitik

Weltweit setzen sich mutige Menschen für Menschenrechte ein und riskieren dabei oftmals ihre Freiheit, sogar ihr Leben. Menschenrechtsverteidiger*innen sollten deshalb geschützt werden und einfacher in der EU Zuflucht finden können. In vielen Fällen können temporäre Visa für die EU Leben retten und verfolgte Menschenrechtsverteidiger*innen vor autoritären Regierungen oder paramilitärischen Gruppen schützen. Doch weil die Verfahren in den Botschaften der EU unterschiedlich sind und zudem sehr bürokratisch, ist es für viele Aktivist*innen schwer, Visa zu bekommen.

Nach Angaben von Amnesty International ist ein großes Problem die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem politischen und konsularischen Personal innerhalb der jeweiligen Botschaft. Für LGBTQIA+-Aktivist*innen ist es zudem oft unmöglich, ihre gleichgeschlechtlichen Lebenspartner*innen als Familienmitglieder anerkennen zu lassen, damit sie ebenfalls einreisen können.

Einen Asylantrag zu stellen, ist für die meisten Menschrechtsverteidiger*innen keine Alternative. Dies ginge schlicht an ihrer Lebensrealität vorbei

Allein im Jahr 2019 wurden weltweit mehr als 300 Menschenrechtsverteidiger*innen getötet, und die Zahl der ermordeten Umweltaktivist*innen hat sich in den letzten fünfzehn Jahren fast verdoppelt. In einem solchen Klima der Gewalt braucht es von der EU eine zuverlässige Visa-Politik, die unbürokratisch Schutz gewährleistet.

Der Fall eines türkischen Menschenrechtsverteidigers

Ein Beispiel für die Probleme der EU-Visapolitik kommt von Frontline Defenders: Dem 25-jährigen türkischen LGBTQI-Aktivisten Özgür Gür wurde keine Einreiseerlaubnis erteilt, obwohl er ins Europäische Parlament eingeladen worden war. Die belgischen Behörden bewilligten den Antrag nicht, wahrscheinlich weil die türkische Regierung den Aktivisten aufgrund seiner Teilnahme an Protesten als Terroristen deklariert hatten. Özgür steht wegen eines Protests für LGBTI-Rechte vor Gericht - Die EU muss Menschenrechtsverteidiger*innen wie ihn unterstützen!

Deshalb habe ich der Kommission eine Parlamentarischen Frage gestellt:

Die Antwort der Kommission ist enttäuschend

Die Antwort zeigt, was im Argen liegt. Zum einen gibt es keine gesonderten Verfahren für Menschenrechtsverteidiger*innen, um einreisen zu können, da für sie die gleichen Visaregeln gelten wie für allen anderen. Zum anderen erkennt die Europäische Kommission das Problem überhaupt nicht an: Für sie besteht kein Verbesserungsbedarf. Das ist mehr als enttäuschend.

Deshalb fordere ich:

1. Das Handbuch für den Visakodex muss geändert werden, damit der besondere Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen bei der Visumsentscheidung beachtet wird.

2. In den EU-Richtlinien für Menschenrechtsverteidiger*innen sollte ein Verweis auf Visaerleichterungen stehen.

3. Externe Agenturen, die den Visumsprozess für Mitgliedsstaaten durchführen, müssen ihre Mitarbeiter*innen sensibilisieren und in Schulungen auf die Nöte und Situationen von Menschenrechtsverteidiger*innen hinweisen.

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