Fluten, Dürren, Pandemien, Cyberangriffe und Krieg an unseren Grenzen – das sind keine Ausnahmen mehr, sondern wiederkehrende Realitäten. Am 14. November stellte der ehemalige finnische Präsident Sauli Niinistö im Europäischen Parlament seinen Bericht „Stärkung der zivilen und militärischen Vorsorge und Einsatzbereitschaft Europas“ vor. Darin zeigt er, wie die EU einen proaktiveren Ansatz für Sicherheit und Krisenvorsorge entwickeln kann, statt immer nur auf Krisenereignisse zu reagieren. Zu seinen wichtigsten Empfehlungen gehören:
- Bessere Risikoanalysen, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen.
- Bedrohungen verständlich kommunizieren, ohne Panik zu verbreiten, sodass sich Bürger*innen aktiv vorbereiten können.
- Sicherstellen, dass kritische Systeme auch unter schwierigen Bedingungen funktionsfähig bleiben.
- Schnelle Entscheidungsprozesse und eine stärkere zivil-militärische Zusammenarbeit.
- Intensivere Geheimdienstkooperation, um Resilienz gegen hybride Bedrohungen zu stärken.
Niinistö betonte außerdem, dass „eine Aufstockung gemeinsamer Investitionen notwendig wäre, um diese Ziele zu erreichen.“
Präventiv statt reaktiv handeln – und das gemeinsam
In meiner Rede und im Interview mit Phoenix, im Format „Phoenix Europatalk“ zusammen mit meinem Kollegen Tobias Cremer, habe ich betont: Wir müssen präventiv und gemeinsam handeln – besonders angesichts neuer Bedrohungen wie der Sabotage kritischer Infrastruktur oder Cyberangriffen.
Kritische Infrastruktur: Gas-Pipelines und Unterseekabel
Kritische Infrastruktur umfasst alle essentiellen Systeme und Dienstleistungen, die unser tägliches Leben ermöglichen: Strom- und Wasserversorgung, Verkehr, Kommunikationsnetze, Krankenhäuser, Notfalldienste sowie digitale Systeme wie das Internet und Datenspeicherung.
Niinistö warnt, dass „Angriffe auf kritische Infrastruktur, wie Energienetze, Stromausfälle verursachen können, die gleichzeitig mehrere EU-Länder betreffen, erhebliche wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen und die öffentliche Sicherheit gefährden“.
Wir haben bereits Schäden an Gasleitungen und Unterseekabeln erlebt – oft unter „verdächtigen Umständen“. Besonders in der Ostsee stehen solche Sabotageakte derzeit im Fokus: Erst kürzlich wurde ein Unterseekabel zwischen Finnland und Deutschland durchtrennt. Mehr als 95 % des weltweiten Internetverkehrs zwischen Kontinenten laufen durch solche Kabel. Sie sind buchstäblich die unsichtbare Verbindung, die unsere digitale Welt zusammenhält – und sie sind verwundbar.
Um die Sicherheit und Resilienz der europäischen Unterseekabel zu stärken und digitale Autonomie zu schützen, schlägt Niinistö eine gemeinsame EU-Flotte für Wartung und Reparatur vor. Sie könnte ähnlich wie der EU-Katastrophenschutzmechanismus (EUCPM) funktionieren: Bei einer Krise, die ein Land nicht alleine bewältigen kann, könnten EU-Mitgliedstaaten Unterstützung leisten.
Cyberangriffe kennen keine Grenzen
Auch bei Cyberangriffen zeigt sich die Dringlichkeit gemeinsamer Maßnahmen: „Krankenhäuser, deren IT-Systeme durch Cyberangriffe lahmgelegt werden, können keine Patient*innen versorgen, Operationen müssen verschoben werden, und Menschenleben sind in Gefahr“, erklärt Niinistö.
Ein Beispiel: Letztes Jahr legten Hacker in Südwestfalen die IT-Systeme lahm. Monatelang waren Rettungsdienste, Hochzeiten oder das Ausstellen von Geburtsurkunden nicht möglich. Doch die EU hinkt hinterher: Laut Bericht haben staatlich gesteuerte Cyberangriffe in den letzten zehn Jahren um das Vierfache zugenommen, und es fehlen europaweit eine Million Cybersicherheitsexpert*innen.
Gemeinsame europäische Cybersicherheit – jetzt!
Ein Angriff auf ein EU-Land betrifft uns alle. Deshalb habe ich in der Debatte betont: Kein Mitgliedstaat kann solche Bedrohungen allein bewältigen. Mit dem Cyber Solidarity Act und der NIS2-Richtlinie wurden wichtige Schritte eingeleitet, aber das reicht nicht. Wir müssen schneller handeln und enger zusammenarbeiten.
Diese Maßnahmen müssen auf europäischer Ebene umgesetzt werden, denn fragmentierte, nationale Ansätze werden scheitern. Cybersicherheit ist kein rein technisches Thema – es geht um den Schutz unserer gemeinsamen Werte und unserer Zukunft.
Gemeinsam für ein widerstandsfähiges Europa
Ob Sabotageakte auf Unterseekabel, Naturkatastrophen oder Cyberangriffe – Krisen sind das neue Normal. Unsere Antwort darauf darf nicht zögerlich oder gespalten sein.
Wir müssen vorbereitet sein, gemeinsam handeln und Europa widerstandsfähiger machen.
Denn unsere Sicherheit ist nur so stark wie unser Zusammenhalt.