Seit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wird auch die Ostsee zunehmend zum Spielball der geopolitischen Spannungen. Um den Preisdeckel auf russisches Öl zu umgehen und so die Kriegskasse weiter aufzufüllen, hat Russland in den letzten drei Jahren ca. 600 alte Tanker mobilisiert, die gemeinsam die sogenannte “Schattenflotte” bilden. Die Öltanker der Schattenflotte sind oft sehr alt und unzureichend gewartet, wodurch sie ein großes Umweltrisiko für Küstenregionen wie Mecklenburg-Vorpommern darstellen. Die Kosten einer Ölverschmutzung müssten die Küstenstaaten tragen, da diese Tanker meist nicht oder nur unzureichend versichert sind.
Die Schattenflotte stellt jedoch nicht nur ein Risiko für unsere Umwelt dar, sondern ist auch eine enorme Bedrohung unserer maritimen kritischen Infrastruktur. Dazu gehören Unterseekabel, Pipelines und Offshore-Windparks, die essentiell für unsere Energieversorgung und unsere digitale Kommunikation sind. In den letzten Jahren gab es mehrere Fälle von Sabotage und Spionage dieser Infrastruktur, die teilweise den Tankern der Schattenflotte zugeschrieben wurden. Die Tanker fahren teils unbeflaggt, teils unter wechselnden Flaggen von zweifelhaften Herkunftsstaaten oder deaktivieren ihr Erkennungssystem komplett, um nicht erkannt zu werden.
Nachdem Ende 2024 ein Unterseekabel zwischen Finnland und Estland durch den Anker eines solchen Tankers beschädigt wurde, hat die NATO den noch im Aufbau befindlichen Koordinierungsstab CTF Baltic aktiviert und die NATO Mission “Baltic Sentry” ins Leben gerufen. Sie sollen eine verstärkte Überwachung des Ostseeraums und einen besseren Schutz der kritischen maritimen Infrastruktur vor Angriffen der Schattenflotte gewährleisten. Zusätzlich wurden auf europäischer Ebene Tanker der Schattenflotte mit Sanktionen belegt.
Bei meinem Besuch beim CTF Baltic, der beim Marinekommando in Rostock angesiedelt ist, habe ich mich nach der aktuellen Lage in der Ostsee und der Arbeit des Stabs erkundigt. Der CTF Baltic koordiniert erfolgreich den Informationsaustausch zwischen den Ostsee Anrainerstaaten, so dass es mittlerweile möglich ist, ein fast vollständiges Echtzeit-Lagebild der Ostsee zu erstellen. Diese ständige Überwachung ist entscheidend, um die Bewegungen der russischen Schattenflotte frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Die Präsenz hat auch eine abschreckende Wirkung, denn seit seiner Aktivierung sind die Vorfälle deutlich zurückgegangen. Der CTF Baltic koordiniert darüber hinaus Manöverübungen und koordiniert taktische Pläne, damit die nationalen Marinen besser gemeinsam aufgestellt sind – ganz im Sinne von „Vorsorge ist besser als Nachsorge“.
Anders als teilweise in der Presse dargestellt, handelt es sich nicht um eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen, sondern nur um nationales, deutsches Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung der NATO-Ostseeanrainer und anderer Partner. Das heißt, die zwölf beteiligten Staaten (Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden) entsenden einzelne Soldatinnen und Soldaten, um eine bessere Kooperation zu gewährleisten. Nach ein paar Jahren rotiert die CTF Baltic zu einem anderen Anrainerstaat. Eine gute weitergehende Analyse dazu findet ihr hier.
Auch wenn die NATO und der CTF Baltic einen entscheidenden Beitrag zur Überwachung leisten, fällt der eigentliche Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) in die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten. Genau hier braucht es bessere Prävention, um die Versorgungssicherheit auch im Fälle von Sabotageakten sicherzustellen. Das heißt: Aufbau von Redundanzen, besserer Schutz der KRITIS und klare Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern.
Die Ostsee Zeitung hat zu meinem Besuch beim CTF Baltic einen Artikel veröffentlicht.